Tiere auf Wohnungssuche

Auf der Martin-Luther-Kirche nisten Turmfalken (Falcus tinnunculus). Mit etwas Glück lassen sie sich beobachten, wenn sie ein- und ausfliegen. Zu erkennen ist die bis zu 35 Zentimeter große Vogelart an den hellen Kikikikiki-Rufreihen, dem rostroten Gefieder und dem charakteristischen Rüttelflug. Mit heftigen Schlägen der 75 Zentimeter weit gespannten Flügel und breit gefächertem Schwanz stehen die kleinen Greifvögel im Gegenwind und spähen nach Nahrung, um sie im Sturzflug zu erbeuten.

Sie jagen bis zu fünf Kilometer von ihrem Standort entfernt nach Mäusen, aber auch nach Eidechsen und Maulwürfen, Kleinvögeln und Insekten. Auf den nahe gelegenen Elbwiesen finden Turmfalken reichlich Futter, vor allem Wühlmäuse.

Daher bot sich der benachbarte 81 Meter hohe Kirchturm in der Äußeren Neustadt als Nistgelegenheit an: Mitte der 1990er-Jahre ließ sich das erste Pärchen auf einem kleinen Austritt oberhalb der Besucherplattform nieder. Im Zuge der Gebäudesanierung im Jahr 2016 wurde der Brutplatz in den Turm eingebaut, sodass die streng geschützte Art den Witterungsunbilden nicht mehr direkt ausgesetzt ist.

Außerdem wurden in den Turmgauben an der Ostseite des Kirchenschiffs zwei weitere dauerhafte Nistkästen angebracht. In der Folge waren entweder der Platz im Turm oder der linke Nistkasten alljährlich belegt. Bis jetzt hat also immer nur ein Paar gebrütet, das sich seither den Brutplatz aussuchen kann und immer mal wechselt.

Seit dem Mittelalter folgen Turmfalken dem Menschen in die Städte, wobei ihnen Türme, Mauern, Burgen und Schlösser sowie Hochhäuser als „Ersatzfelsen“ dienen. Für die an den urbanen Raum angepassten Tiere sind dies begehrte Nistplätze: Von April bis August zieht ein Brutpaar dort drei bis fünf Junge auf. In der kalten Jahreszeit überwintern einige der Tiere in der Stadt, andere an Waldrändern und Feldern. Je nach Wetterlage und Nahrungsangebot ziehen die Falken aber auch weiter in den Süden, bis nach Nordafrika.

In Sachsen leben 2.500 bis 4.000 Brutpaare, der Bestand in Dresden schwankt langjährig zwischen 80 und 160. Rund 200 waren es noch in den achtziger Jahren. Damals wiesen gerade die strukturreichen und desolaten Gründerzeithäuser lebensnotwendige Nischen wie defekte Lüftungsöffnungen, Stuckelemente oder Holzgesimskästen auf. Außerdem hatten die Bombenangriffe 1945 zahlreiche Freiflächen hinterlassen, auf denen sich jahrzehntelang Futter fand.

Im Zuge der Sanierungen nach der politischen Wende nahm die Dresdner Population deutlich ab, da Brachen versiegelt wurden und Nistgelegenheiten an den geglätteten Fassaden verschwanden. Mittlerweile hat das Umweltamt zahlreiche Nistkästen anbringen lassen. Auch Naturschutzbehörden und Privatpersonen betreiben heute aktiven Schutz von Turmfalken. Zumal die etwas kleinere, reinlichere Tierart es sogar mit Tauben aufnimmt und somit hilft, diese von Gebäuden zu vertreiben, wo deren Kot oft Schäden anrichtet.

Adresse
Martin-Luther-Platz

Koordinaten
51.064414,
13.756027

Lageplan

in GoogleMaps anzeigen